Weihnachtsbrief von 1893 / Abschrift Weihnachtsbrief meiner Ur-Grossmutter an meine Grossmutter Sophie Gehrig-Gretener Mellingen den 20. Dezember 1893 Liebe Sophie! Sende Dir für mein kleines Gotteli ein Weihnachtsbäumli, da es noch keinen Begriff davon hat, so hast Du dafür Freude, dass Du ihm einmal sagen kannst, wann es das erstemal ein Weihnachts- Bäumli hatte. Ich weiss, dass Du immer die grösste Freude hattest, wenn wir Dir später erzählten, dass Du auch schon im ersten Jahr an der Weihnacht ein Bäumchen hattest. Wir freuten uns sehr, da Du die Lichtli betrachtetest, so wirst Du auch ganz gewiss Dich freuen, wenn Dein kleines Bertha auch nur die Lichter sieht. Pflege diese Feier immer, die Lichter sollen die Liebe zu Deinem Kinde entflammen, gib Liebe Deinem Kinde und es wird Dir zeitlebens Liebe erwidern. Glaube, Hoffnung, Liebe sind die grössten Tugenden. Liebe ist das grösste, was die Eltern einem Kinde geben können, wo das fehlt ist das ganze Leben kalt. Kalt werden die Kinder erzogen, kalt und fremd werden Eltern und Kinder miteinander durchs Leben gehen, und einst wieder kalt von einander scheiden. Also, dieses kleine Bäumchen sei der Anfang einer hoffnungsvollen Zukunft. Gott schenke Dir und Deinem lieben Mann und der Kleinen eine fröhliche Weihnacht und ein recht gutes neues Jahr. Für dieses Jahr wird das Bäumchen sehr einfach sein. Du erhältst den Teppich und etwas Birnenweggen, den ich heute gemacht habe, und das Kleine das schöne,Schlüttli von Frau Obrist. Du darfst ihm dafür danken. Wir werden ihm auch erst auf Neujahr schreiben. Auch die herzlichsten Grüsse und Glückwünsche zum neuen Jahr von der Gotte, sie ist diese Zeit leidend und weiss nicht was fehlt, sie glaubt Influenza.. mag sein. Deine Mutter Das Sparkassabüchlein für Bertha liegt bei und eine Büchse für das Kleine als Weihnachtschrömli. Es wird ihm gut thun. Kannst das Bäumli in Deinem Zimmer aufstellen auf einen Kerzenstock und dich dabei freuen wie die Kinder.